Gertrud (Trudi) Flury

Nachruf

Meine Hände fassen still
nach dem Schloss am Ringe.
Mühn sich, bis es lassen will.
Fahr nun Kahn und klinge.

Draussen fängt kein Ruf uns mehr
Wollen nichts mehr denken,
leuchtend lieg ich, leicht und leer
zwischen roten Bänken.

Lass mein Schiff die Welt vergessen,
ich will nicht mehr weinen.
Nur die Liebe bleibt bestehn
und der Wind im Leinen.

 

Liebes Trudi

Dein Lebensschiff ist zum letzten Mal ausgelaufen und steuert einen Hafen an, den wir von hieraus nicht orten können; aber du und wir alle werden ihn einmal erreichen. In jenem Hafen wird kein Schmerz, kein Leid dich plagen nur die Liebe deiner Nächsten und Vertrauten werden in kleinen Wellen dir zugetragen.

So wie du nun in stillen Gewässern deine Ruhe findest war es nicht immer auf deiner Lebensfahrt. Du hast viel durchgemacht, viel erduldet und hast uns in deiner langen Krankheitszeit durch deinen Lebenswillen, deinen schier unerschöpflichen Lebensmut, deinem Durchhaltevermögen gezeigt, was ein Mensch vermag und ihn über sich heraus wachsen lässt. Du warst trotz allem Schweren in einer Art heiter, du glaubtest an das Leben, liessest immer eine Option offen, bis zuletzt. Du bist durch viele Wellentäler gekommen, oft hat eine Flutwelle dich überschwemmt, aber danach bist du wieder auf dem Wellenkamm geritten, die Sonne und den blauen Himmel über dir.

Du hast in den Kindern, in der Familie, im Freundeskreis deine Erfüllung gefunden. Du warst eine unermüdliche Schafferin, hast alles bestens gemacht.
Wir alle ziehen den Hut vor dir; du bist uns Beispiel und Vorbild.

Wie schön war es für dich und unseren Bruder Werner, als die Liebe euch zusammengeführt hat. Durch dich hat Werner einen Halt und Ruhepol gefunden.
Du hast mit ihm die Liebe zum Wasser, zur See geteilt, bist mit ihm nach eurer Hochzeit auf der „Tin Hau" hinaus gefahren aufs Meer. Ihr habt euch wunderbar verstanden und vertragen, nicht leicht auf einem Schiff, wo der Raum begrenzt ist.

Du hast mit Werner viel von der Welt gesehen und dieses Leben hat euch stark gemacht. Ihr habt uns erzählt von euren Reisen, und die bunte vielfältige Welt auch für uns sichtbar gemacht. Ihr konntet noch so weit weg sein, immer erhielten wir einen Gruss, eine Karte, ein Zeichen der Verbundenheit. Ihr bliebet dem Wasser verfallen. Immer wieder zog es euch hinaus an die Flüsse und Meere. Auch als ihr längst in Zürich Fuss gefasst hattet, waren die Wasser euer Lebenselexier. Wir, Ruedi und ich, vergessen nie die fröhlichen Ferientage auf dem Schiff, mit welchem wir Burgunds Kanäle befuhren. Dort lernten wir dich näher kennen und lieben.
Du warst so begeistert, dass du bei den vielen Schleusen den Wärtern meistens zuvor kamst und die Hebemechanik selber bedientest. Du warst eine richtige Schiffersfrau.

Als jüngsten von fünf Kindern wuchsest du in Olten auf wo du auch die Schulen besuchtest. Die Lehre als Verkäuferin brachte dich schon früh mit anderen Leuten in Kontakt und du lerntest mit Mitmenschen um zugehen. In deiner ersten Ehe schenktest du den Kindern Edith und Sylvia das Leben. Verschiedene Wohnsitzwechsel über Wangen bei Olten, Mümliswil, Oensingen brachten dir immer zusätzliche Arbeit und Neuanpassungen. Ab 1977, als du Werner kennen lerntest,

fandest du etwas mehr Ruhe und Geborgenheit. Deine Arbeitskraft erschöpfte sich jedoch nicht im Haushalt. Du halfst Werner tatkräftig bei der Betreuung des Zürcher Jachthafens und später arbeitetest du als Angestellte im Holzhandel.

1999 machten sich die ersten Anzeichen einer schlimmen Krankheit bemerkbar.
Jedes Jahr wurde beschwerlicher, du konntest immer weniger tun. Vor drei Jahren ward ihr zum letzten Mal auf See, aber bereits unter widrigen Umständen. Danach wurdest du immer kränker. Werner pflegte dich aufopfernd bis an seine eigenen Grenzen. Er gab seinen Beruf auf, um ganz bei dir zu sein. Du littest klaglos und mit dir auch Werner und deine Familie. Vielleicht zerrtest du in Gedanken von den glücklichen Tagen auf Wasser und Land und dachtest an deine fröhlichen Grosskinder und deine Angehörigen. Du wolltest leben! und die Liebe gab die die Kraft. Ihr hattet noch viel vor, aber die Krankheit war stärker und eine starke Brise hat dich weg getragen.

Uns bleibt, dir zu danken für alles was du uns gegeben hast. Wir vergessen nicht, wie du, zusammen mit Werner, unserer Mutter geholfen hast. Du bist spät zu unserer Familie gestossen und hast uns als erste verlassen müssen.

Wir werden dich nie vergessen!